Jena. (tlz) Den Spuren von Tätern, Opfern und Schergen, so der Name der Aktion, folgten etwas mehr als 70 Jenaer am Samstagnachmittag. Der Arbeitskreis "Sprechende Vergangenheit" des Aktionsnetzwerks gegen Rechtsextremismus hatte zu einem Mahngang eingeladen, um 70 Jahre danach an den Judenpogrom in Jena zu erinnern. An drei Stationen wurde ein Kapitel der Jenaer Stadtgeschichte aufgeschlagen.

Die Kahlaische Straße 1 war ein Täter-Ort. Dort saß der Universitäts-Rassenhygieniker Karl Astel, einer der ganz Aktiven bei der "Bereinigung der Judenfrage" der Nazis. Nach Astels eigenen Angaben sind der rigorosen Sterilisierungspraxis des Landes Thüringen zwischen dem 14. Juli 1933 und Ende 1943 landesweit etwa 14 000 Personen zum Opfer gefallen. Allein in der Jenaer Frauenklinik wurden mindestens 1194 Frauen zwangsweise sterilisiert. Astel war während der gesamten Nazi-Zeit auch Rektor der Jenaer Universität.

Die Kahlaische Straße 6 war ein Opfer-Haus. In diesem Gebäude, das derzeit saniert wird, nahm sich die Witwe Eduard Rosenthal am 11. November 1941 das Leben, nachdem die Jüdin über Jahre hinweg Anfeindungen und Repressalien ausgesetzt war. Sie schied aus dem Leben, nachdem ihr das Wohnrecht im Haus streitig gemacht worden war und die Einweisung in ein "Judenhaus" drohte.
An Verbrechen von Schergen erinnerte die Station beim heutigen Justizzentrum. Dort standen bis vor gar nicht so langer Zeit Kasernen. In denen war zur Nazi-Zeit das Polizeibataillon 311 stationiert, das 1940 nach Krakau verlegt worden war und dort eine Blutspur hinterließ.

"Es ist ungemein wichtig, solche furchtbaren Ereignisse in Erinnerung zu behalten", sagte Prof. Dr. Peter Kielstein, einer der Teilnehmer des Mahngangs. Die Erinnerung müsse weitergetragen werden. Deshalb sei es wichtig, das viele junge Leute sich mit der Geschichte befassen.

"Man muss das in Erinnerung behalten, was hier einmal geschehen ist", sagte auch Student Ronny Ehrmann.

"Ich wohne seit 30 Jahren in der Stadt. Und es ist interessant für mich, eine Facette der Stadtgeschichte zu hören, die man nicht alltäglich vermittelt bekommt", sagte Wolfgang Gehlmann, dessen Frau im Aktionsnetzwerk mitarbeitet.

"Was ich über die Rosenthals erfahren habe, hat mich sehr beeindruckt", sagte Uwe Erler. Und Jörg Rechenberg, ein Mitglied des Arbeitskreises "Sprechende Vergangenheit": "Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, was hier vor Ort früher geschehen ist, damit es nicht vergessen wird."

Die Veranstalter waren sehr zufrieden mit der Zahl der Teilnehmer, denen an jeder Station die Bedeutung des Ortes erklärt wurde. "Ich hätte zuvor nicht geglaubt, dass so viele Leute kommen. Das hat mich überrascht", sagte Dr. Gisela Horn.