?Bereits 2005 traf das erste sogenannte „Fest der Vo?lker“ in Jena auf leidenschaftlichen Widerstand. Damals planten die Neonaziaktivisten um Andre Kapke, Jena zu einem Wallfahrtsort fu?r Rechtsextreme aus ganz Europa zu machen. Nachdem die Veranstaltung 2006 verboten wurde, brachte das Jahr 2007 einen Wendepunkt. Das Gefu?hl, dem „Hess-Marsch“ durch Jenas Straßen nichts Wirksames entgegengesetzt zu haben, erregte die O?ffentlichkeit. Bereits im Vorfeld mobilisierte die „Randstreifenaktion“ mit der Ansage „Nazifeste verhindern“. Mit der Entschlossenheit die gefu?hlte Ohnmacht endlich zu u?berwinden, fanden sich Menschen zusammen, die mit Blockaden das Nazifest verhindern wollte. So stellten sich 2007 tausende Menschen den Nazis in den Weg, behinderten die Veranstaltung und verzo?gerten ihren Beginn um Stunden. Der feste Wille „das na?chste Mal mehr und besser vorbereitet“ zu sein, fu?hrte zur Gru?ndung des Aktionsnetzwerks. Schnell wurde klar: neben der wichtigen Aufgabe, Strukturen fu?r erfolgreiche Blockadeaktionen zu schaffen, muss es gelingen, die „Wellenbewegung“ in der o?ffentlichen Wahrnehmung zu durchbrechen und der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus Kontinuita?t zu verleihen. Der Netzwerkgedanke sollte viele Aktivita?ten unter einem Dach ermo?glichen und dabei wenigen - aber wichtigen - Prinzipien entsprechen. Dazu geho?ren: Anschlussfa?higkeit fu?r Menschen mit unterschiedlichen politischen Hintergru?nden und Zeitressourcen, große Transparenz, finanzielle und politische Unabha?ngigkeit. Als geeigneter organisatorischer Rahmen bewa?hrte sich die Arbeit in Arbeitskreisen, die Koordinierung durch einen gemeinsamen Kreis besonders Aktiver und ein monatliches o?ffentliches Plenum als Schnittstelle zur breiteren O?ffentlichkeit.

Der Strategie der extremen Rechten, sich u?ber o?ffentliche Kundgebungen und Demonstrationszu?ge, als „normaler“ Akteur in die politische Landschaft einzuschleichen, mit „RechtsRock“ Jugendliche anzusprechen, fu?r „die Bewegung“ zu gewinnen und nicht zuletzt die Kassen zu fu?llen, sollte entschieden entgegengewirkt werden.

In Jena entstand die Idee, einen o?ffentlichen Blockade-Aufruf mit einer Unterstu?tzerliste zu kombinieren, sich auf einen Aktionskonsens zu einigen und Strukturen fu?r den Aktionstag zu entwickeln, die ein großes Maß an Sicherheit, Transparenz, Mitbestimmung, Wirksamkeit und Solidarita?t sichern. Dies konnte funktionieren, weil sich endlich die Einsicht verbreitet hat, dass jeder Einzelne gefragt und in der Lage ist, sich einzumischen und dass alle gemeinsam auch wirkungsvoll intervenieren ko?nnen. Mit der Flucht des „Fest der Vo?lker“ 2008 nach Altenburg versuchten die Nazis sich diesem Szenario zu entziehen. Dass es gelang, die Mobilisierung und das Konzept nach Altenburg zu tragen und mit 14 Bussen von Jena nach Altenburg zu reisen, war ein großer Erfolg.

Die einja?hrige Vorbereitung unter aufmerksamer Beobachtung und Beteiligung der O?ffentlichkeit wirkte sehr komplex, auch auf Strukturen wie Beho?rden, politische Gremien, Presse und Polizei. Die Erkenntnis, dass es einen hohen „politischen Preis“ kosten wu?rde, einen bestimmten „polizeilich-politischen Korridor“ zu verlassen, unterdru?ckte die Versuche unser Vorgehen zu kriminalisieren oder mit polizeilicher Repression zu unterbinden.

Nun begann das „Jenaer Modell“ bundesweit Aufmerksamkeit zu erregen. Von verschiedenen Multiplikatoren bis hin zum Jenaer Oberbu?rgermeister weitergetragen, erschien es als wirkungsvolle Alternative zu „Bunt statt Braun“ Volksfesten, u?berzeugte aber auch Aktivisten aus „Antifa-Gruppen“. Es begann die Phase der u?berregionalen Vernetzung. Die „Jenaer Erkla?rung“ wurde in vielen Sta?dten im gesamten Bundesgebiet aufgegriffen und in ihren Grundzu?gen u?bernommen.

Indessen wurden die Aktionen gegen das „Fest der Vo?lker“ in Po?ßneck 2009 fortgesetzt. Schon damals war der Bedeutungsverlust sichtbar. Das fu?r 10 Jahre in Jena angeku?ndigte Fest schrumpfte zu einer lokalen Gartenparty unter Beteiligung einer Tiroler- Trachtengruppe.

Beunruhigend hingegen waren die Mobilisierungserfolge der Nazis in Dresden und Gera. Damit waren auch die Schwerpunkte fu?r 2010 gefunden. Weithin wahrgenommen wurde das Bu?ndnis „Dresden nazifrei“ und die erfolgreichen Blockadeaktionen am 13. Februar in Dresden.

Diese Ereignisse wurden an vielen Orten als beispielhaft empfunden. So waren die Proteste gegen das rechtsextreme „Rock fu?r Deutschland“- Fest in Gera von diesem Geist getragen und wesentlich erfolgreicher als in der Vergangenheit. Auch in Po?ßneck a?nderte sich der Umgang mit dem wieder angemeldeten „Fest der Vo?lker“.

Die „Po?ßnecker Erkla?rung“ und das Bu?ndnis „Po?ßneck nazifrei“ stehen fu?r eine Entwicklung hin zum lokalen zivilgesellschaftlichen Engagement. Der immer wieder bela?chelte Anspruch „Nazifeste verhindern“, hat in 2010 Po?ßneck Fru?chte getragen. Dass immer mehr Termine aus dem braunen „Event-Kalender“ gestrichen werden, ist neben anderen Einflu?ssen, wesentlich der beschriebenen Entwicklung zu verdanken. Jedem ist dabei bewusst: das Problem „Rechtsextremismus“ ist damit nicht vom Tisch. Ein Blick in die Vergangenheit reicht, um eine Vorstellung von den vielfa?ltigen Aktionsformen der Naziszene zu bekommen.

Und nicht nur die, bei denen sich Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Demokratiefeindlichkeit und andere menschenverachtende Einstellungen verbinden und im erkennbaren politischen Handeln a?ußern, sind ein Problem, sondern auch die Anknu?pfungspunkte, die sie weit verbreitet in unserer Gesellschaft finden.

  • Wie wir damit umgehen,
  • wie wir immer wieder neue Kraft scho?pfen,
  • was wir auf unserem Fundament bauen ohne es zu zersto?ren,
  • wie weit wir mit unseren Konzepten und Prinzipien auch u?ber das Thema Rechtsextremismus hinaus wirken wollen, das wird uns in naher Zukunft bescha?ftigen.

Dabei begreifen wir uns immer als Teil einer Bewegung, die – bei allen Unterschieden - viele gleichgesinnte AkteureInnen hat. Mit denen fu?hlen wir uns solidarisch verbunden und ohne die ko?nnten wir nicht erfolgreich sein.