thueringen_wappenDie Sozialministerin hat heute einmal mehr das fragwürdige Demokratieverständnis dieser Landesregierung zur Schau gestellt. Das Durchpeitschen von Prestigeprojekten ohne Rücksicht auf die Betroffenen scheint nicht nur in weiter westlich gelegenen Bundesländern für ein legitimes politisches Vorgehen gehalten zu werden“, kritisiert Christoph Ellinghaus, Sprecher des Aktionsnetzwerks gegen Rechtsextremismus, nach der vierten und letzten Regionalkonferenz zur Vorstellung des Landesprogramms „für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“, die am Dienstag in Gera stattfand.

Trotz der für ehrenamtlich politisch Engagierte extrem ungünstig gewählten Tageszeit hatte sich eine Reihe von Aktiven aus den zivilgesellschaftlichen Bündnissen aus Gera, Weimar und Jena bei der Konferenz eingefunden, um ihrem Unmut über das Verfahren in der Entwicklung des Landesprogramms und dem vorliegenden Entwurf Ausdruck zu verleihen. Unter anderem wurde vehement kritisiert, dass das zuständige Sozialministerium – ungeachtet aller anders lautenden Beteuerungen – jede nennenswerte Partizipation der Zivilgesellschaft in der Erstellung des Programms ausgebremst habe. Die ursprünglich als Forum zur Beteiligung gedachten Regionalkonferenzen seien durch die Verlegung auf einen Zeitpunkt, zu dem das Programm bereits vorliege, zu einer reinen „Alibi-Veranstaltung“ verkommen. Auch die Struktur der Arbeitsgruppen, in denen zuvor über die Einzelheiten des Programms verhandelt wurde, habe eine ernsthafte Partizipation der aktiven Zivilgesellschaft nicht zugelassen. „Statt auf diejenigen zu hören, die seit Jahren ihre Freizeit opfern, um Nazis aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen und hierbei als einzige auch auf reale Erfolge verweisen können, zog es die Ministerin vor, sich in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der CDU vom Verfassungsschutz eine hanebüchene Definition von 'Linksextremismus' als angebliche Gefahr für die Demokratie in das Papier diktieren zu lassen“, ärgert sich Luise Zimmermann, Sprecherin des Aktionsnetzwerks. Zahlreiche TeilnehmerInnen der Konferenz kritisierten die Verwässerung des Landesprogramms durch die Ausweitung auf behauptete „andere antidemokratische Potentiale“ scharf. „Der vorliegende Entwurf des Landesprogramms forciert nicht nur die Entpolitisierung der geförderten Initiativen und lenkt von der allzu realen Bedrohung durch Rassismus und Neofaschismus ab, sondern er bereitet zugleich den Boden für eine künftige Kriminalisierung zivilgesellschaftlichen Engagements“, sagte Bernd Stoppe, Mitglied im Sprecherrat des Geraer Aktionsbündnis gegen Rechts. Die zentralen Forderungen der Kritiker brachte Dennis Eversberg vom Aktionsnetzwerk auf den Punkt: „Wir fordern die Umwidmung in ein ’Landesprogramm gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit’, die ersatzlose Streichung der Passagen zu ’anderen antidemokratischen Potentialen’ sowie eine mehr als symbolische Repräsentation der aktiven Zivilgesellschaft im Programmbeirat.“

Ministerin Heike Taubert zeigte sich unbeeindruckt von der Kritik und verteidigte das staatszentrierte Demokratieverständnis des vorliegenden Entwurfs gegen die vorgebrachten Ansprüche auf mehr Partizipation. Dabei wurde klar, dass eine ernsthafte Diskussion auf den Regionalkonferenzen weder gewünscht noch in der nun eingetretenen Schärfe erwartet worden war. Nennenswerten Änderungen des Programmentwurfs erteilte sie eine Absage und versuchte zugleich, die zivilgesellschaftlichen Bündnisse für das aus deren Sicht nicht tragbare Programm in die Pflicht zu nehmen: „Ich habe den Rahmen vorgegeben, und sie füllen den jetzt aus“. Luise Zimmermann weist dies in aller Entschlossenheit zurück: „Wir werden uns an so etwas nicht beteiligen. Hätte Frau Taubert es ernst gemeint, hätte es von Anfang an einen Dialog gegeben, statt die Sache hinter verschlossenen Türen und mit übertriebener Rücksicht auf Befindlichkeiten der CDU durchzuziehen. So können wir darin nur als Pragmatismus verkaufte Rückgratlosigkeit erkennen.“